In Teil 1 dieser zweiteiligen Serie haben wir über Valentinas Schwangerschaft mit Typ-1-Diabetes berichtet. Wie ist die Geburt nach dieser Achterbahnfahrt gelaufen? Und wie managt Valentina jetzt ihren Alltag mit Diabetes und Baby? Darüber haben wir im Sugar Eves-Interview mit Valentina gesprochen.
Sugar Eves: Hast Du Deine Geburt geplant?
Valentina: Für mich war von Anfang an klar, dass ich weder einen Kaiserschnitt noch eine Geburtseinleitung wollte. Mir war es wichtig, die Geburt ganz natürlich zu erleben. Kurz vor der Geburt haben sowohl meine Gynäkologin als auch die Frauenärztin im Krankenhaus gesagt, dass das Kind groß sei und die Geburt eingeleitet werden müsse. Als ich dann aber zur Geburtseinleitung ins Krankenhaus kam, hat der behandelnde Arzt gesagt, dass das Baby völlig in Ordnung sei. Er hatte sich extra noch mal mit einem Kollegen abgestimmt, aber mich dann nach Hause geschickt und gesagt, dass ich nächste Woche noch mal wiederkommen soll.
Sugar Eves: Wie ging es dann weiter?
Valentina: Nach einer Woche sahen die Ärzte immer noch keinen Anlass, die Geburt einzuleiten. Bis zum errechneten Geburtstermin tat sich gar nichts. Und dann hat man die Geburt eingeleitet, weil man nicht länger warten wollte. Im Nachhinein würde ich sagen, es wäre besser gewesen, das Baby früher zu holen. Auch, wenn ich die ganze Zeit dagegen war. Ich hatte zum Ende das Gefühl: Jetzt stimmt irgendwas nicht mehr. Ich habe jeden Tag meinen Bauchumfang gemessen, mich gewogen und Schwangerschaftstagebuch geführt. Irgendwann habe ich gespürt, dass alles zu viel ist, dass das Baby vermutlich recht groß ist. Und dann kamen aber immer wieder diese Zweifel, dass ich ja gar keine Ahnung habe, weil ich noch nie schwanger war. Mein Mann und ich haben uns dann darauf geeinigt, dass wir weiter abwarten und nicht ins Krankenhaus gehen. Das würde ich bei der nächsten Schwangerschaft anders machen, da würde ich stärker auf mein Gefühl hören.
Sugar Eves: Wie verlief dann die Geburt?
Valentina: Nach der Einleitung ist erst mal den ganzen Tag über nichts passiert. Und als nachts die Fruchtblase geplatzt ist, ging es richtig los. Dann kamen die Wehen von null auf hundert in gefühlt 20 Sekunden. Es war eine sehr komplikationsreiche natürliche Geburt. Ich hatte starke Presswehen, einen richtigen Wehensturm, schon bevor der Muttermund sich öffnete, so dass ich sehr viel Blut verlor. Meine Tochter war sehr groß, sie kam mit 4.300 Gramm auf die Welt. Damit hatte keiner gerechnet. Ihr Gewicht wurde vorher auf maximal 3.800 Gramm geschätzt. Ich war total erschrocken, als ich hörte, dass meine Tochter so groß ist. Sogar die Hebamme brauchte nach der Geburt eine Pause, weil sie noch nie so eine komplizierte Entbindung erlebt hat. Ich musste nach der Entbindung noch lange ärztlich versorgt werden. Meine Gynäkologin sagte mir nachher, dass das nicht passiert wäre, wenn die Geburt zwei Wochen vorher eingeleitet worden wäre.
Sugar Eves: Wie war Dein Blutzuckerwert unter der Geburt?
Valentina: Ich erinnere mich, dass ich im Hintergrund immer das Handy vibrieren hörte. Ich wusste also, dass der Wert hoch war. Irgendwann bekam ich ein Schmerzmittel wegen der zu starken und schnellen Wehen. Die Ärztin und die Hebamme hatten Sorge, dass ich sonst keine Kraft mehr für die Geburt hätte. Ich wollte eigentlich Insulin bekommen, aber die Ärztin gab mir ein Schmerzmittel und statt Insulin sogar Glukose. Das Wichtigste war während der Geburt, dass ich nicht in einen Unterzucker falle. Ich wäre in der Situation auch nicht in der Lage gewesen, irgendetwas zu mir zu nehmen, um das auszugleichen. Mein Mann ist in eine Art Schockstarre verfallen, weil die Geburt so kompliziert verlief, dass er sich auch nicht mit kümmern konnte. Dass die Geburt so heftig war, hatte aber nichts mit dem Diabetes zu tun, sondern mit der Geburtseinleitung und dem Gewicht des Babys. Ich würde anderen Schwangeren mit Typ-1-Diabetes raten, genau auf ihr Körpergefühl zu hören und noch mal Rücksprache mit ihrem Gynäkologen zu halten und nicht zu lange zu warten.
Sugar Eves: Und diese ganze Odyssee, die Du in der Schwangerschaft und bei der Geburt erlebt hast, hält Dich nicht davon ab, noch mal schwanger zu werden?
Valentina: Nein, obwohl meine Tochter nach der Geburt wegen einer Infektion sogar noch auf der Intensivstation lag. Mein Traum ist es aber, insgesamt vier Kinder zu haben. Mein Mann wundert sich auch, dass ich das alles noch mal durchstehen möchte. Aber es sind ja nur kurze Zeitabschnitte. Ich glaube, durch die Erfahrung und das Älterwerden wird es auch einfacher. Und auch dadurch, dass schon ein Kind da ist und man sich nicht mehr nur auf sich selbst konzentrieren kann. Außerdem ist jedes Kind wieder ein ganz neuer Charakter. Es interessiert mich jetzt schon, wie wohl das zweite Kind aussehen wird. Mich hält die Erkrankung auf keinen Fall davon ab, weitere Kinder zu bekommen. Auch, wenn ich klar sagen muss, dass die Geburt meines Kindes nicht der schönste Tag meines Lebens war. Ich war fix und fertig und nass geschwitzt. Aber danach hat etwas so Schönes und Neues angefangen. Man kann sich vor der Geburt des eigenen Kindes gar nicht vorstellen, wie schön es ist, ein Baby zu haben. Ja, natürlich ist es anstrengend und nicht jeder Tag ist wie in einem Film, in dem man fröhlich mit dem Kinderwagen spazieren geht, Blümchen pflückt und glücklich ist. Aber trotzdem erfüllt mich das Mamasein sehr. Ich muss dazu sagen, dass meine Tochter ein sehr pflegeleichtes Kind ist. Sie wacht meistens nur ein Mal in der Nacht auf. Das erleichtert es natürlich sehr.
Sugar Eves: Ist Deine Tochter gesund, hat sie keinen Typ-1-Diabetes?
Valentina: Ja, meine Tochter ist gesund. Sie hat keinen Diabetes. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen Typ-1-Diabetes entwickelt, liegt nur bei drei Prozent. Nach der Geburt wurde regelmäßig der Blutzuckerwert gemessen und da hatte sie sehr gute Werte.
Sugar Eves: Was machen aktuell Deine Blutzuckerwerte?
Valentina: Die Blutzuckerwerte sind aktuell leider wieder außer Rand und Band. Ich habe auch meine Periode wieder bekommen trotz der Stillzeit. Das hat mich sehr überrascht. Und egal, wie viel Insulin ich aufnehme, es kommt gar nicht richtig an. Normalerweise neigen Diabetikerinnen in der Stillphase eher zur Unterzuckerung. Das ist bei mir aber ganz anders. Ich hatte mich von Anfang an beim Stillen darauf vorbereitet und immer Saft und Essen parat, aber das war bisher nie notwendig. Und meine kleine Tochter zeigt alle Anzeichen, dass es ihr gut geht. Am Anfang war ich immer etwas besorgt, wenn sie schrie. Da habe ich zweimal ihren Blutzuckerwert gemessen, aber dann habe ich mir gesagt, dass ich sie damit nicht weiter quälen möchte. Da muss man lernen, mit seinen eigenen Ängsten umzugehen.
Sugar Eves: Wie ist es für Dich, wenn Du jetzt mit Deinem Baby allein unterwegs bist? Hast Du Sorge, dass Du vielleicht mal eine Unterzuckerung bekommst, nicht funktionierst?
Valentina: Ja, das ist ein großes Thema. Deshalb bin ich auch gerade sehr sensibel im Umgang mit dem Insulin. Wir haben keine Verwandtschaft in der Nähe und mein Mann kommt immer erst gegen 16 Uhr von der Arbeit nach Hause. Wenn mir dann etwas passiert, dann liegt meine Tochter im schlimmsten Fall acht Stunden in ihrem Bett und schreit. Deshalb bin ich so vorsichtig und habe wahrscheinlich auch gerade so schlechte Blutzuckerwerte. Es ist früher so oft passiert, dass ich etwas zu viel Insulin gespritzt habe und dann im Unterzuckerbereich war. Und das kann ich mir in dieser Situation gar nicht erlauben. Häufig bemerkt man einen Unterzucker beim Aufstehen. Und dann habe ich das Baby auf dem Arm und es passiert vielleicht etwas. Ich bin sehr vorsichtig, habe in jedem Zimmer für den Notfall ein Schälchen mit Essen und achte auch noch mehr darauf, wenn ich mit meiner Tochter rausgehe, dass ich Traubenzucker und Saft dabeihabe. Falls eine Unterzuckerung eintritt, dann kann ich schnell reagieren.
Sugar Eves: Hast Du ein Notfallsystem?
Valentina: Ich habe eine Sturzerkennung auf meinem Smartphone. Wenn etwas passiert, kann ich meinen Mann, meine Mutter und meine Geschwister über die SOS-Funktion kontaktieren, aber die sind natürlich alle nicht sofort hier. Eine Situation, die mich immer beunruhigt ist, wenn ich morgens mit einem Unterzucker aufwache. Mein Mann geht oft schon um fünf Uhr zur Arbeit. Dann habe ich manchmal Sorge, dass ich es nicht bis zum Essen oder dem Saft schaffe. Aber es ist bisher noch nie passiert.
Sugar Eves: Die Angst begleitet Dich, obwohl Dir ja auch in den ganzen vergangenen Jahren mit Diabetes nie etwas passiert ist?
Valentina: Das ist richtig. Das liegt sicherlich daran, dass ich noch ganz neu in dieser Mamarolle bin. Wenn meine Tochter nur einen Mucks macht, schaue ich sofort nach ihr. Da muss ich noch in die Rolle reinwachsen und sicherer werden. Ich kann verstehen, wenn sich Diabetikerinnen gegen eine Schwangerschaft entscheiden, aber es gibt für mich keinen Grund. Wie gesagt: ich wünsche mir weitere Kinder.
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Instagram @style.inmysuitcase
Das Gespräch führte Tanja Reiners, reiners kommunikation, Stuttgart
Bildcredit: Anto Lukic Fotografie